lespress, 2003
Was tun wenns brennt ?
Eine Geschichte über Frauen,
Feuer und Film
von Dagmar Trüpschuch
Die Filmemacherin Stefanie Jordan
hat schon viele Auszeichnungen für ihre Filme erhalten, doch
erst der Juliane-Bartel-Preis, der ihr Ende September verliehen wurde,
war mit einem kleinen Geldsegen verbunden. Der niedersächsische
FrauenMedienPreis wurde der Wahlberlinerin für ihre Dokumentation
über sechs Feuerwehrfrauen in San Fransisco "Some real heat"
verliehen. Der Preis, der nach der 1998 verstorbenen Journalistin
Juliane Bartel benannt wurde, ist mit jeweils 4000 Euro dotiert und
wird engagierten FilmemacherInnen verliehen, die ein differenziertes
und gleichberechtigtes Frauenbild in den Medien kommunizieren und
dazu beitragen, dass stereotype Geschlechterklischees aufgebrochen
werden.
"Ich zerschlage lieber Klischees, als dass ich
neue aufbaue", erzählt Stefanie Jordan, wenn sie über
ihre Arbeit spricht. Mit ihrer Dokumentation "Some real heat"
tritt sie den Beweis an, denn der Stoff, aus dem die Feuerwehrträume
sind, hätte genügend hergegeben, um einen reißerischen
Film über superstarke Frauen zu drehen, die sich in einer Männerwelt
behaupten und täglich den Kampf um Leben und Tod aufnehmen. Stefanie
Jordan jedoch zeigt keine sensationsheischenden Aufnahmen von lodernden
Flammen, aufgeregtem Blaulicht und abenteuerlustigen Frauen. Sie geht
tiefer und lässt Frauen zu Wort kommen, die sich in keine Schublade
stecken lassen, die so unterschiedlich sind, wie Frauen einfach sind:
schwarz, weiß, heterosexuell oder lesbisch. "Du bist bei
der Feuerwehr? Aber ñ du bist doch hübsch", erzählt
Feuerwehrfrau Connie über die gängigen Vorurteile.
Stefanie Jordan hat diese Frauen sowohl in ihrem Arbeitsumfeld als
auch privat gefilmt und interviewt. Eindrucksvoll schwärmt Connie
von ihrem "really good axe-moment", Allison figuriert ihren
ersten Feuereinsatz mimisch und mit Stimmakrobatik untermalt und Heather
bekennt, dass sie ein "chain-saw-lover"ist.
Die Kettensäge würde auch Stefanie Jordan als ihr "Lieblingswerkzeug"
bezeichnen. Bekanntschaft mit der Powermaschine hat sie in ihrer Zeit
in Kalifornien gemacht.
Bei einer Reise in die Staaten Mitte der 80er Jahre blieb sie in San
Francisco hängen und es sollte vier Jahre dauern, bis sie sich
auf den Weg zurück nach Berlin machte, die Stadt, in der sie
ihr Studium über Altamerikanistik an den Nagel gehängt hatte,
um in die weite Welt zu ziehen.
Jobmäßig hielt sie sich mit Baumbeschneidungen über
Wasser und machte später ñ als zweite Frau in diesem Berufszweig
überhaupt ñ die Ausbildung zur "tree-trimmerin".
Die Voraussetzungen zur Bewerbung waren mehr als außergewöhnlich:
Künstlerin sollte sie sein ñ denn wer einen Baum nicht
hören kann, kann ihn auch nicht beschneiden ñ und mit
einem Arm einen Klimmzug sollte sie machen können. Die damals
22-Jährige stellte eine Arbeitsmappe mit ihren Zeichnungen zusammen,
übte und übte den einhändigen Klimmzug ñ und
arbeitete fortan hoch in den Baumkronen mit ihrer Kettensäge.
In San Fransisco entdeckte Stefanie Jordan auch die Leidenschaft
fürs Filmen. Anfangs mit experimentellen Einzelbildern auf Super
8, dann mit ersten Trickfilmsequenzen, unbedarft, so als würde
sie das Rad neu erfinden, erzählt sie. Fachliches Wissen eignete
sie sich als Gasthörerin am San Francisco Art Institute und an
der S.F. State University an.
Wieder zurück in Berlin studierte Stefanie Jordan Trickfilm an
der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam/Babelsberg.
Und gleich ihre Abschlussarbeit, der animierte Film "Late at
night", den sie mit zwei Kommilitoninnen drehte, hatte internationalen
Erfolg und wurde auf der Berlinale 1997 mit dem silbernen Bären
ausgezeichnet.
Wie die Feuerwehrfrauen, die in ihrer Kindheit berufsferne Wünsche
wie Rennfahrerin, Stewardess oder Fußballspielerin hatten, hegte
Stefanie Jordan, die 1965 in Mannheim geboren wurde, den Wunsch Architektin
oder Archäologin zu werden. Doch auf ähnlich verschlungenen
Wegen, wie die Damen zum Feuer, kam Stefanie Jordan zum Film. Zeichnen
und Malen waren immer schon ihre Hobbies und so lag es nahe, ihre
grafischen Arbeiten mit Einzelbildtechniken zu kombinieren und in
den Trickfilmbereich einzusteigen. Der Trickfilm "Late at night"
ist eine Symbiose aus Malerei, Licht- und Schattenbewegung, Musik
und Formen. Allein an den 2500 Bilder haben die drei Frauen zwei Jahre
gemalt und nochmals 2-3 Wochen gebraucht, jedes einzelne mit der Trickfilmkamera
aufzunehmen ñ für eine Filmlänge von vier Minuten
und 20 Sekunden.
In der Zwischenzeit hatte Stefanie Jordans Freundin Allison in San
Fransisco nach jahrelangem Job-Hopping bei der Feuerwehr ihre berufliche
Heimat gefunden. "Allison rief mich oft an und erzählte
von ihren ersten Einsätzen und Erfahrungen", erzählt
Stefanie Jordan. Schnell erkannte sie das Potenzial, das in diesen
Geschichten lag, fühlte sich als Trickfilmerin aber nicht dazu
berufen, den Stoff zu verfilmen. Aber eine Frau, die es reizt in ihren
Arbeiten Stereotypen zu brechen und Frauen in Vorbilderfunktionen
zu zeigen, konnte das Thema über Frauen in der Berufsfeuerwehr
nicht kalt lassen.
Von der Idee zur Realisation war es jedoch ein weiter Weg. Niemanden
auf der Geldgeberseite interessierte das Thema. Stefanie Jordan wollte
ihre Pläne schon aufgeben, als die Künstlerinnenförderung
ihr einen Startbetrag von 6000 Euro zusicherte. "Sicherlich nicht
genug, um einen Film zu drehen", erzählt sie. "Aber
für mich war es die Initialzündung einfach weiterzumachen."
Letztendlich erhielt sie noch Unterstützung vom dänischen
und niederländischen Fernsehen und schoss aus privaten Mitteln
mehr als 50 % hinzu. "Das gab mir aber alle künstlerische
Freiheit, über meinen Film selber zu bestimmen", sagt die
Produzentin, Regisseurin und Kamerafrau ihres eigenen Films. "Leider
hat der Film, trotz vieler Preise ñ u.a. die Eurola für
den besten Dokumentarfilm im letzten Jahr auf den Lesbisch Schwulen
Filmtagen in Hamburg und einiger Fernsehausstrahlungen ñ sein
Geld noch nicht eingespielt." Grund dafür, sagt sie, sei
vor allem der Zeitpunkt, zu dem der Film auf den Markt kam. Der Film
war am 9. September 2001 fertig gestellt und sollte am 14. September
im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt werden. Dazwischen
lag der 11. September 2001 und niemand war danach an einem Film
über Feuerwehrfrauen interessiert. Zu kritisch sei der Film,
der sich thematisch durchaus mit Rassismus, Homophobie und Sexismus
in der männerdominierten Branche auseinandersetzt. Und niemand
wollte nach dem 11. September die Helden der Nation "mit ihren
blauen Uniformen und roten Wagen, eigentlich fehlte nur noch das Weiß"
kritisch betrachtet sehen, besonders nicht von einer Minderheit von
Feuerwehrfrauen, die in Kalifornien nur 13 Prozent der Berufsfeuerwehr
ausmachen.
"Wenn ich den Film zeige, muss ich immer vorwegnehmen, dass ich
ihn vor dem 11. September gedreht habe", erzählt Stefanie
Jordan.
Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat sie die Frauen getroffen,
mit ihnen geredet und sie auf ihre Einsätze begleitet. Doch als
dann tatsächlich ein Großfeuer ausbrach ñ von allen
Einsätzen sind nur rund 20% feuerbedingt ñ konnte sie
gerade noch den Anfang des Einsatzes festhalten und dann ñ
war der Akku der Kamera leer. "Das hat mich schlaflose Nächte
gekostet", erzählt Stefanie Jordan mit einem Lachen. Eine
leichte Verstimmung um diese verpasste Gelegenheit ist ihr immer noch
anzumerken.
"Vorher hatte ich gerade ein Interview mit der Feuerwehrfrau
Mel", erzählt sie weiter. "Mel ist in einem früheren
Einsatz schwer verletzt worden und fast erblindet. Sie forderte mich
auf, sie zu dem Brand zu begleiten und ihre Augen zu sein. Und am
Ende standen wir beide da. Hilflos. Sie konnte den Einsatz nicht sehen,
ich ihn nicht filmen."
"Some real heat" ist ein Film über starke, sensible
und kritische Frauen. Aber kein Frauenfilm, wie Stefanie Jordan erklärt,
"weil der Film alle angeht." Frauen würden immer noch
zu sehr über ihr Geschlecht definiert, erklärt sie weiter
und "hätte ich einen Film über sechs Männer gemacht,
würde niemand von einem Männerfilm reden."
Auf die häufig gestellte Frage, ob sie ihre vornehmlich weibliche
Filmcrew nach dem Geschlecht rekrutiert hätte, antwortet Frau
Jordan gerne: "Nein, wir haben nicht nach Geschlecht, sondern
nach Qualität entschieden."
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